Patente haben über die letzten Jahrhunderte einen wichtigen Beitrag zum Fortschritt der westlichen Zivilisationen beigetragen. Das Patentrecht ermöglicht den Ausgleich zwischen den Interessen der Erfinder und der Allgemeinheit: Der Erfinder wird gezwungen seine Erfindung öffentlich zu machen und erhält dafür bis zu 20 Jahre die alleinigen Nutzungsrechte an der Erfindung. Damit wird dem Erfinder genug Zeit gegeben seine Erfindung zu Geld zu machen und so seine Entwicklungskosten wieder hereinzuholen. Gleichzeitig wird die Erfindung veröffentlicht, so dass darauf aufbauende Entwicklungen möglich werden und nach Ablauf der Schutzrechte kann die Allgemeinheit das Patent komplett frei weiterbenutzen. Ohne ein solches Patentrecht würden vermutlich wichtige Erfindungen nicht veröffentlicht sondern geheim gehalten und das Wissen darum könnte nicht genutzt werden.
Situation in Deutschland
Soweit zur Patenttheorie. Nun zur Praxis. Das Patentsystem nutzt hauptsächlich großen Konzernen. Kleine Unternehmen werden dagegen benachteiligt. Schauen wir uns die Situation in Deutschland und dem Europäischen Patentamt (EPA) an. So beschäftigen die fünf deutschen Unternehmen mit den meisten Patentanmeldungen nur 1.3% der Arbeitnehmer in Deutschland. Sie haben aber 20.2% (Stand 2011) der aus Deutschland kommenden Patentanmeldungen beim EPA eingereicht. Einzelne Erfinder und kleine Unternehmen haben es schwer, die durchschnittlichen Patentkosten von ca. 30.000€-40.000€ aufzubringen, für große Konzerne ist das kein Problem.
Immer mehr Patente werden auf triviale Verbesserung vergeben, die sicherlich keinen Patentschutz verdienen. Beispiele dafür sind das Patent auf Netzwerkfilter aus dem Jahr 2002 welches einfache Spamfilter beschreibt, das Senden von Geschenkgutscheinen per Email aus 2003 oder das Besetztzeichen wenn beim Internettelefon nicht genügend Bandbreite zur Verfügung steht aus 2004. Diese Trivialität zeigt sich auch in der Anzahl der Anmeldungen beim EPA: von 20.000 in 1980, auf fast 250.000 in 2011. So viel innovativer können die Erfinder nicht geworden sein.
Kosten durch Rechtsstreite
Immer häufiger kommt es zu Rechtsstreitigkeiten und Abmahnungen. An statt Geld in Anwälte und Patentportfolien zur Abwehr von Ansprüchen stecken zu müssen, sollten die Unternehmen diese Gelder besser in Forschung und Entwicklung investieren können. Der aktuelle Streit zwischen Apple und Motorola um die Benachrichtigung über neue Emails auf dem Handy zeigt deutlich, wie Trivialpatente direkt Einfluss auf die Produkte für Endverbraucher haben. iPad und iPhone dürfen nicht auf neue Emails durch den Server hingewiesen werden.
Wie können wir dem Begegnen? Wie kann der Ausgleich zwischen den Erfindern und dem gesellschaftlichen Fortschritt erreicht werden? So soll der Pharmakonzern einen Anreiz für die Entwicklung neuer Medikamente haben. Und auch der geniale Tüftler soll seine Idee publizieren und nicht geheim halten. Gleichzeitig müssen die Trivialpatente umfassend eingeschränkt werden. Nur so können kleine und mittlere Unternehmen gestärkt werden und Gelder für die Forschung und Entwicklung freigegeben werden. Das Dickicht an trivialen Patent muss ebenso gelichtet werden, damit nicht unabsichtlich gegen triviale Patente verstoßen wird. Es muss Rechtssicherheit für die Unternehmen herrschen. Ein Patentstreit kostet in Europa je nach Anzahl und Standort der Gerichte zwischen 50.000€ und 2.000.000€. Ein kleiner Erfinder kann daher weder sein Patent durchsetzen noch kann sich ein kleines Unternehmen gegen unberechtigte Ansprüche verteidigen. Leider habe ich keine Zahlen für Deutschland oder Europa gefunden. Aber einige eindrucksvolle Zahlen aus Amerika möchte ich nicht vorenthalten: Dort kostet ein Patentstreit mindestens 1.000.000$ und 75% der angeblichen Patentverletzungen sind unbegründet. Einen solchen unbegründeten Streit abzuwehren bedroht in Amerika oft die unternehmerische Existenz. Durch die teilweise niedrigeren Kosten in Europa ist dies weniger dramatisch aber immer noch sehr gefährlich für den Mittelstand. International gelten die deutschen Patentgerichte übrigens als zu Patentinhaber freundlich.
Verhindern von Trivialpatenten
Hier nun mein Vorschlag. Ich denke, das Patentsystem ist grundsätzlich bewährt und nützlich. Den Trivialpatenten und den ausartenden Rechtsstreiten kann man am besten begegnen, indem man die notwendige Erfindungshöhe anhebt. Bisher gilt für jedes Patent, es muss neu sein, auf erfinderischer Tätigkeit beruhen und klar beschrieben sein. Dabei gilt für die erfinderische Tätigkeit, dass die Erfindung für einen Fachmann nicht offensichtlich sein darf. Wie Eingangs beschrieben soll ein Patent der Gemeinheit dienen, indem die Erfindung nicht geheim gehalten bleibt sondern eine vollständige Beschreibung zum Nachbau öffentlich wird. Das heißt also, dass die Patentbeschreibung (Offenbarung) besonders wichtig ist. Die Idee ist also ausschließlich Patente zu akzeptiert, bei denen die Offenbarung geheime Information trägt. Patentierbar sollten also ausschließlich Erfindungen sein, die für einen Fachmann beim Benutzen der Erfindung nicht offensichtlich sind. Bei allen anderen Erfindungen trägt die Offenbarung keine Information und das Patent ist trivial. Die trivialen Patente gehen der Öffentlichkeit nicht verloren, da die Erfinder Ihre trivialen Patente trotzdem benutzen und verkaufen werden und eine Offenbarung nicht notwendig zum Nachbau ist. Außerdem kommen Mitbewerber schnell auf die gleiche triviale Erfindung. Richtige Erfindungen und deren Erfinder bleiben so geschützt und das Patentsystem kann weiter seine positive Wirkung entfalten. Für den Schutz von trivialen aber besonders raffinierten technischen Geräten steht immer noch der Geschmacksmusterschutz zur Verfügung, welches das Aussehen von Produkten gegen Nachahmer schützt.
Dieser Vorschlag stellt keine offizielle Position der Piratenpartei dar, obwohl ich Pirat bin. Nach der Diskussion mit anderen Piraten könnte dieser Vorschlag eine breite Unterstützung finden.
Zusammenfassung
Das Patentsystem muss reformiert werden, damit die Wirtschaft von den ausgearteten Rechtskosten entlastet und Rechtssicherheit hergestellt wird. Mein Vorschlag ist Patente nur auf Erfindungen zu erteilen, bei denen erst die Patentschrift den Nutzern einen Nachbau ermöglicht. So wird das Patentieren von trivialen Erfindungen erheblich erschwert. Gleichzeitig schützt der Vorschlag die echten Erfindungen, entlastet die Unternehmen von unnötigen Rechtsstreitigkeiten und erlaubt eine schnellere Weiterentwicklung der Technik.
Weitere Quellen:
Patentanmelderstatistiken: EPA (englisch EPO) Statistiken, OECD Data
Top 5 Anmelder beim EPA 2011 und Mitarbeiter in Deutschland in Tausend: Siemens (116T), BASF (52T), Bosch (119T), Bayer (36T), EADS (45T).
Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt: Geschmacksmuster
Statistiken über amerikanische Patente: ipwatchdog
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